Letzter offener Brief der IG Metzgergrün

An die Fraktionen des Gemeinderats

Sehr geehrte Damen und Herren des Freiburger Gemeinderats,

seit den ersten Baumfällungen im Metzgergrün ist nun ein Jahr vergangen. In der Folge hatten einige StadträtInnen einen interfraktionellen Brief an die Verantwortlichen der FSB mit dem Ziel eingegeben, den weiteren Verlauf des Bauprojekts positiv zu beeinflussen und gesichert zu wissen.
Hiermit möchten wir Sie mit unseren Stand der Dinge auf dem Laufenden halten:

1. Quartiersarbeit

Uns ist es wichtig, klarzustellen, dass es für ca. 400 Menschen hier fortan bis auf weiteres keine Quartiersarbeit und somit keine neutrale Anlaufstelle vor Ort mehr gibt. Das Nachbarschaftswerk e.V. hat im Sommer 2021 als Träger einvernehmlich mit dem Quartiersmanagement der Stadt Freiburg entschieden, die Unterstützung für die Menschen im „konfliktbehafteten“ Metzgergrün vorerst einzustellen.
Nachdem die Quartiersarbeit sich bis vor kurzem schwerpunktmäßig auf die Weiterentwicklung des Metzgergrüns konzentriert hat, macht sie sich in der bisher kritischsten Phase des geplanten Neubauprojekts einfach vom Acker. Damit verspielen die Verantwortlichen erneut das Vertrauen der BewohnerInnen im Quartier.

Stattdessen soll nun von der Freiburger Stadtbau ein Konflikt begleitet werden, den sie durch die Art und Weise zu kommunizieren und das Bauvorhaben umzusetzen selbst verursacht hat. Zu der bisherigen Doppelrolle als Bauträgerin und Vermieterin soll das „schlagkräftige Team“ um eine hauseigene Sozialberatung erweitert werden. Wenn allerdings nicht gleichzeitig eine funktionierende Quartiersarbeit vor Ort unterstützt und als neutrale Anlauf- und Schnittstelle zur Verfügung steht, sehen wir das für unsere Situation kritisch.

2. Beteiligung

Über die Möglichkeit der Beteiligung an der Offenlage des Plangenehmigungsverfahrens im November 2021 wurden die MieterInnen wie schon 2017 weder von der FSB noch vom Stadtplanungsamt in Kenntnis gesetzt.Das Amtsblatt als städtisches Informationsmedium der Stadt Freiburg wird im Metzgergrün nur partiell zugestellt.
Vom Stadtplanungsamt wurden im Februar 2022 die zahlreichen EinwenderInnen analog zu einer Pressemitteilung informiert, dass die persönliche Eingabe zur Offenlage aus der Öffentlichkeit keine Änderung der Planung erforderlich machen würde.
Viele der eingegebenen Themen lägen im Zuständigkeitsbereich der FSB und würden „selbstverständlich aufgegriffen und beantwortet“ werden – darüber wann und wie die zahlreichen Einwände aus der Öffentlichkeit erörtert und berücksichtigt werden, wurde nicht informiert.

Der mediale Auftritt der FSB hat mit unserem Erleben der Situation kaum etwas gemein: Auf der Projekt-Webseite der FSB wird u.a. behauptet, die Initiative für die Quartiersentwicklung sei von der Bewohnerschaft ausgegangen. Tatsache ist, dass die Bewohnerinitiative, die dieses Projekt mit angestoßen haben soll, inzwischen mangels BewohnerInnen „ruht“. Tatsache ist auch, dass an OB Horn im Jahr 2019 die Unterschriften von 256 BewohnerInnen und AnwohnerInnen zum Erhalt des Bestandsgebiets übergeben wurden. Stattdessen wird das „Projekt Metzgergrün“ nach außen als ein Musterbeispiel von „Beteiligung“ verkauft.

Schon seit Längerem treffen sich einige BewohnerInnen in Eigeninitiative und versuchen, sich gegenseitig zu beraten und zu unterstützen. Dabei ist die psychische Belastung für die Aktiven enorm, was nach und nach zur Einstellung des Engagements führt.
Sichtbar wird dies jetzt auch am angekündigten Rückzug der langjährigen Mieterbeiräte.

3. Projektbeirat

Die letzte Projektbeiratssitzung hinsichtlich des „Projekt Metzgergrün“ fand im Dezember 2020 statt. Das Quartiersmanagement der Stadt Freiburg hat es seit den Baumfällungen vor einem Jahr lediglich vermocht, eine Veranstaltung zur „Zwischenbilanz“ im Juli 2021 durchzuführen. Hier wurden Versäumnisse und Missstände von Seiten der BewohnerInnen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Geschehen ist seither nichts. Ein Protokoll des Treffens wurde mehrere Monate später nachgereicht.

4. Interfraktioneller Brief vom 12.03.2021

  • Die finanzielle Entschädigung: Bisher fand keine Begutachtung und Schätzung der Gärten statt. Während dies beim GuT ein übliches Verfahren bei der Abnahme von Schrebergärten ist, fand ähnliches in den Mietergärten der FSB keine Anwendung. Stattdessen mussten die Betroffenen dies selbst versuchen zu verhandeln. Aktuell befindet sich noch ein Garten im Widerspruchsverfahren. Die Mieterin wird hinsichtlich der Rückgabe massiv unter Druck gesetzt.
  • Die Belastungen durch die Baumaßnahmen nehmen stetig zu. Die Mietminderung von 20% wird nur den direkt an der Baustelle lebenden MieterInnen gewährt. Allerdings wirken sich die Beeinträchtigungen inzwischen auf das gesamte Bestandsgebiet aus, so dass die Mietminderung für alle entsprechend der Lärm- und Erschütterungsbelastung angepasst werden müsste.
  • Die Mietersprechstunde findet in einer freien Mietwohnung im 1.OG statt und wird inzwischen nur noch 14tägig angeboten. Erst auf Nachfrage erfährt man, welcher Mitarbeiter die Sprechstunde abhält. Das ist insofern problematisch, da die BewohnerInnen nicht jedem Mitarbeiter vertrauen.
  • Die extern moderierten Veranstaltungen der FSB in der Kreuzkirche sollten ursprünglich der Befriedung und Aufarbeitung der Geschehnisse am 25.02.2021 dienen. Nach drei Treffen erklärten die meisten der teilnehmenden MieterInnen zum 10.06.2022 den Austritt aus den Gesprächen wegen Ergebnislosigkeit.
  • Ortsbegehung: Während der Baustellenbegehung am 04.02.2022 wurde die ursprüngliche Zusage, dass Arbeiten am Samstag nach Möglichkeit vermieden werden, klar dementiert. Die Bauarbeiten sollen von Mo- Sa 7-20h stattfinden und das über eine voraussichtliche Bauzeit von 8-10 Jahren!
  • den Projektbeirat gibt es aktuell nicht mehr (siehe 2.)

5. Sozialkonzept

Während des letzten Jahres kam es im Metzgergrün zu weiteren Zwischenfällen für die MieterInnen: Privatgegenstände wurden versehentlich aus Kellern entsorgt, beim Abbruch der Asbestdächer wurden die MieterInnen nicht informiert, die Fenster geschlossen zu halten und infolge der Arbeiten an der Runzverlegung wurden Keller unter Wasser gesetzt. Für die anschließende Trocknung wurden keine Entfeuchtungsgeräte zur Verfügung gestellt („Lüften reicht“).

Was wir angesichts dieser Tatsachen und Aussichten fordern, sind Standarts für den Schutz und die Rücksichtnahme auf die BestandsmieterInnen bei Bauprojekten in dieser Dimension. In zahlreichen Einwendungen und Gesprächen wurde in der Vergangenheit schon eindringlich darauf hingewiesen.

Was wir uns wünschen, ist mithilfe eines Moratoriums das Ziel zu erreichen, die Weiterentwicklung des Bestandsgebiet ökologisch behutsam und sozial verträglich zu gestalten, um die jetzigen BewohnerInnen zu schützen und die gewachsenen nachbarschaftlichen Bindungen zu erhalten.

Was wir im Metzgergrün benötigen, ist ehrliche und mutige soziale Arbeit im Quartier, die präsent und aktiv bei den Menschen vor Ort ist, gerne „Klinken putzt“ und die uns während der Veränderungen durch die Baumaßnahmen begleitet.

Bisher ist weder durch die Stadt noch durch die FSB eine umfassende Erhebung über die soziale Situation der MieterInnen erfolgt. Bei der Neuentwicklung des Metzgergrüns wurde die massive Belastung für BestandesmieterInnen nicht berücksichtigt. Ohne ein ausgereiftes Sozialkonzept während der langen und massiven Abriss- und Neubauphasen werden wir von der Bauplanung vergessen.

Mit freundlichen Grüßen
gez. MieterInnen im Metzgergrün
Wigand Alpers
Ingrid Blasius
Claudia Fierus
Sophia Grässlin
Frank Koslowski
Detlef Schwarz
Gerti Uebelacker
Anett Zeller
Eva Zimmermann

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